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17.12.2013

Land hat Gaisbeuren und Enzisreute schlecht gerechnet

(Bad Waldsee) - "Gegen die Priorisierung des Landes können wir nichts tun. Wir möchten aber darüber informieren auf welche Art und Weise das Land Gaisbeuren und Enzisreute ins Abseits geschoben hat", sagt Franz Fischer von der "Initiative B 30". Wie berichtet hat das von den Grünen geführte baden-württembergische Ministerium für Verkehr und Infrastruktur im November die Projekte des Landes für den Bundesverkehrswegeplan 2015 priorisiert. Dabei sind die B 30-Ortsumgehungen Gaisbeuren und Enzisreute in der schlechtesten Kategorie ohne Planungsrecht und zudem als nachrangige Projekte gelandet. Die IHK Bodensee-Oberschwaben hat sich inzwischen dazu geäußert und sieht für Gaisbeuren und Enzisreute keine Realisierungsperspektive.

Nachdem die "Initiative B 30" auf ihre Nachfrage im November beim Stuttgarter Ministerium bisher keine Antwort erhielt, warum die beiden Ortsumgehungen in der Priorisierung so schlecht abgeschnitten haben, hat Franz Fischer zwischenzeitlich mit Hilfe der Priorisierungstabellen des Landes, die er "dankbar aus anderen Quellen" erhalten hat, die Vorgehensweise unter die Lupe genommen. Das ärgerliche Ergebnis: Die B 30 Ortsumgehungen Gaisbeuren und Enzisreute sind über unfaire Tricks schlecht gerechnet worden.

Weil die B 30-Ortsumgehungen Gaisbeuren und Enzisreute im Bundesverkehrswegeplan 2003 im "Weiteren Bedarf" eingestuft sind, hat sie das Land in die Priorisierungsgruppe 3b ohne Planungsrecht eingestuft und so für den Bundesverkehrswegeplan 2015 wieder ohne Planungsrecht angemeldet. Eine Prüfung, ob diese Einstufung angemessen ist, erfolgte allerdings nicht. Da die 4-streifigen Ortsumgehungen Gaisbeuren und Enzisreute in dieser Gruppe darüber hinaus ausschließlich mit 2-streifigen Projekten verglichen werden, kommt es zudem zu massiven Punktabzügen in der Gesamtbewertung. Von insgesamt 50 möglichen Punkten werden bei Gaisbeuren 15,75 Punkte und bei Enzisreute 22,05 Punkte abgezogen.

Bei den Bewertungskriterien "Kosten", "Verkehrssicherheit", "Wirkung Mensch" und "Wirkung Umwelt" des Landes können jeweils maximal 7,5 Punkte und beim Kriterium "Verkehrsfluss" maximal 20 Punkte erreicht werden. Minimal hat das Land für jedes Kriterium jeweils 1,5 Punkte vergeben. Der maximal mögliche Punktabzug liegt bei den Kriterien "Kosten", "Verkehrssicherheit", "Wirkung Mensch" und "Wirkung Umwelt" demnach bei 6 Punkten und bei "Verkehrsfluss" bei 18,5 Punkten.

Für Gaisbeuren und Enzisreute hat das Land lediglich beim Kriterium "Verkehrsfluss" die volle Punktzahl von 20 Punkte vergeben. Dabei wurde der Verkehrsfluss allerdings nur außerorts bewertet, denn der herangezogene Auslastungsgrad bezieht sich ausschließlich auf freie Strecken. Da der Verkehrsfluss bei Gaisbeuren und Enzisreute trotzdem unter allen Projekten in Gruppe 3b am schlechtesten ist, wurde dennoch die volle Punktzahl erreicht.

Bei den anderen Bewertungskriterien kommt es hingegen zu massiven Nachteilen und Punktabzügen: 2-streifige Projekte kosten in der Regel weniger, bedeuten weniger Eingriffe in die Natur und schneiden nach der Methodik des Landes bei der Verkehrssicherheit deutlich besser ab. Alleine dadurch kommt es zu einem durchschnittlichen pauschalen Abzug von 7,35 Punkte, der sich über die Bewertungskriterien verteilt und zu den anderen Abzügen addiert wird.

Höhere Punktabzüge gibt es wegen der höheren Kosten (Abzug insgesamt: Gaisbeuren: -2,85 Punkt, Enzisreute: -4,05 Punkte) und einen höheren Flächenverbrauch und eine damit höhere Umweltbetroffenheit (Gaisbeuren: -3,75 Punkte, Enzisreute: -6,00 Punkte). Da bei Enzisreute ein Fauna-Flora-Habitat (FFH) und der Altdorfer Wald betroffen sind, wird die volle Punktzahl abgezogen.

Bei der "Wirkung Mensch" werden Abzüge dafür fällig, dass die lärmbetroffenen Einwohner von Gaisbeuren und Enzisreute auf die Baulänge der Ortsumgehungen verteilt wurden (Gaisbeuren: -5,85 Punkte, Enzisreute: -6,00 Punkte). Damit wurden die tatsächlich Lärmbetroffenen heruntergerechnet. Deshalb wird Gaisbeuren nun schlechter bewertet, als Blitzenreute, Staig und Großholzleute, wo deutlich weniger Menschen vom Lärm betroffen, allerdings die Umgehungen wesentlich kürzer sind.

Weitere 1,5 Punkte werden bei der "Wirkung Mensch" abgezogen - versteckt über Zusatzpunkte für andere Projekte - weil für Gaisbeuren und Enzisreute keine amtliche Luftschadstoffmessung vorliegt. Insgesamt haben nach der Bewertung des Landes die Ortsumgehungen Gaisbeuren und Enzisreute deshalb keinen relevanten Nutzen für die Bewohner.

Für die angeblich überragende Verkehrssicherheit auf der B 30 zieht das Land bei Gaisbeuren weitere 3,3 Punkte und bei Enzisreute die volle Punktzahl ab. Grund ist, dass die 4-streifigen Umgehungen ausschließlich mit 2-streifigen Projekten verglichen werden. Nach der Methodik des Landes schneiden 2-streifige Projekte in der Verkehrssicherheit aber im Durchschnitt 10,9-mal besser ab.

Schließlich wird Gaisbeuren noch um 57 Ränge schlechter bewertet, weil das Land die beiden Ortsumgehungen in die Gruppe 3b eingeordnet hat. Enzisreute wird um 3 Ränge schlechter bewertet.

Insgesamt haben die B 30 Ortsumgehungen Gaisbeuren und Enzisreute nach der Bewertung des Landes kaum einen Nutzen und werden weit hinten in der Priorisierungsliste geführt.

"Wenn das Land die 4-streifigen Ortsumgehungen mit 4- und nicht 2-streifigen Projekten verglichen hätte und keine pauschale Einstufung in Gruppe 3b erfolgt wäre, hätte Gaisbeuren bei den 4-streifigen Bundesstraßenprojekten Platz 12 und Enzisreute Platz 23 belegt", sagt Fischer. Das habe eine Nachberechnung ergeben. Doch so wird Gaisbeuren nun als Nr. 100 und Enzisreute als Nr. 107 von 141 geführt. Die Anmeldung beim Bund für den Bundesverkehrswegeplan 2015 erfolgte als nachrangige Projekte ohne Planungsrecht.

Info:
Die "Initiative B 30" hat einen Auszug ihrer Berechnungen online gestellt.


 




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