Abriss von Gebäuden
Statt dem Bau von Ortsumgehungen, mit Ausnahme der Ortsumgehung Bad Waldsee, wurde die B 30 auf dem Abschnitt von Baindt bis Biberach/Riß in den 1960er und 1970er Jahren auf dem Gebiet von Bad Waldsee durch die Orte breit ausgebaut und für den Durchgangsverkehr ausgelegt, während anderenorts um die Orte gebaut wurde.
Vor dem Ausbau sahen die Ortsdurchfahrten Enzisreute, Gaisbeuren noch so wie viele andere zur damaligen Zeit aus. Die B 30 diente als Erschließungsstraße. Von jedem Grundstück konnten Anwohner direkt auf die noch schmale Bundesstraße einfahren. In der Ortsmitte befanden sich Gasthaus, Kirche, Rathaus und Schule. Gehöfte fanden sich ebenso an der Fahrbahn, wie eine Ortspolizei mit Gefängniszelle und Bäckerei. Aufgrund der Trassierung waren die gefahrenen Geschwindigkeiten niedrig.
Dies änderte sich mit dem Ausbau. In Enzisreute, Gaisbeuren, Mattenhaus und Englerts wurde die Straße erheblich verbreitet. Gärten verschwanden und die Straße wurde näher an Gebäude herangerückt. Gleichzeitig wurden möglichst viele Grundstückszufahrten beseitigt und die Straße so geradlinig wie möglich trassiert.
In Gaisbeuren war die Ortsdurchfahrt für einen Ausbau aber zu schmal. Aus diesem Grund wurde bereits 1965 das Rathaus als erstes Gebäude abgebrochen. An anderen Stellen wurden Gärten vor Häusern entfernt und die Straße in einem Abstand von wenigen Metern, teilweise bis kurz vor die Hauswände, herangerückt. Viele Grundstückszufahrten verschwanden - nur wenige blieben erhalten. Die Bundesstraße wurde mit durchgängigen Abbiegestreifen durch die Ortsmitte ausgebaut und angeschrägte Kurven angelegt, um dem Durchgangsverkehr noch höhere Geschwindigkeiten zu ermöglichen. In Gaisbeuren wurde außerdem ein großer plangleicher Knotenpunkt mit der Landstraße 285 angelegt, der erheblichen Platz in Anspruch nimmt. Auch hierzu wurde ein Gehöft abgebrochen.
Nach dem Ausbau waren die Ortsdurchfahrten völlig verändert. War es vorher möglich, dass entlang der Ortsdurchfahrten geparkt werden konnte und sich Personen aufhielten, so gehörte dies der Vergangenheit an. Die dörfliche Idylle ging verloren. Die Ortsmitten gelten seit dem als unattraktiv und besonders hässlich. In den folgenden Jahren verschwanden entlang der Ortsdurchfahrten weitere Gebäude, so dass immer mehr Baulücken entstanden. Es entstanden unbebaubare Schneisen. Zum Überfluss wurden die Höchstgeschwindigkeiten in Enzisreute und Gaisbeuren auf 60 km/h heraufgesetzt. Erst im Jahr 2018 wurde die Geschwindigkeit wieder gesenkt. In Mattenhaus und Englerts wurde ein bestehendes Tempolimit aufgehoben.
Durch den breiten Ausbau, der möglichen hohen Geschwindigkeiten, angeschrägten Kurven, großer Knotenpunkte, dem Abriss von Gebäuden und dem Ausschluss der Aufenthaltsfunktion werden die Ortsdurchfahrten heute auf den ersten Blick nicht mehr als solche wahrgenommen, obwohl nach wie noch Gebäude direkt an der Straße stehen und auch vereinzelt noch Zufahrten vorhanden sind. Aus diesem Grund ist es heute für viele Menschen nicht nachvollziehbar, warum hier Ortsumgehungen plant werden. Aber das selbe möchte niemand in seinem Wohnort erleben.
Die Schäden können noch behoben werden. Die Stadt Bad Waldsee plant eine Nachverdichtung in Gaisbeuren. Dazu ist jedoch vorher eine erhebliche Abnahme des Verkehrsaufkommens notwendig. Das Regierungspräsidium Tübingen begann im November 2022 mit den Planungsarbeiten für die B 30-Ortsumfahrungen Gaisbeuren und Enzisreute. Nach derzeitigem Stand ist mit einer Fertigstellung nicht in den nächsten 15 bis 20 Jahren zu rechnen.
Weitere Informationen
Städtebauliche Schäden
< Zurück | Weiter > |