Schäden in den Orten
Die Orte an der B 30 haben in ihrer Geschichte einiges erlebt. Waren es früher Kriege mit Plünderungen und weiteren Unannehmlichkeiten, so erleben die Orte heute Verkehrsaufkommen, die anderenorts nie erreicht wurden und in den meisten Fällen auch nicht mehr erreicht werden. Die Probleme konzentrieren sich auf das Aussterben der Ortskerne, Verlärmung, Trennwirkung, Gettobildung, Unbewohnbarkeit sowie dem Wertverlust von Immobilien und Grundstücken.
Betroffene Orte
Gaisbeuren und Enzisreute sind bereits seit dem Jahr 2001 die letzten beiden "echten" Ortsdurchfahrten der B 30 zwischen Ravensburg und Ulm. Weiter betroffen sind die Weiler Mattenhaus, Schellenberg, Englerts, Schneiderbenes und Hebershaus sowie der Ortsrand von Oberessendorf.
Fehlentscheidungen über 50 Jahre führten zur heutigen Situation
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die B 30 durch die Ortschaften auf dem heutigen Gemeindegebiet von Bad Waldsee verbreitert. Ortsumfahrungen wurden dort für vernachlässigbar gehalten. Anderenorts wurden hingegen Ortsumfahrungen angelegt. Ortsumgehungen für Enzisreute und Gaisbeuren sollen erstmals 1958 beantragt worden sein. Der Antrag wurde von der zuständigen Straßenbaubehörde abgelehnt. Dennoch gibt es erste Pläne aus dem Jahr 1962.
Zeitzeugen berichten:
H. Rößler, Vermessungstechniker beim Ausbau der Ortsdurchfahrten Enzisreute und Gaisbeuren:
"Wir haben uns alle gewundert, warum man bei diesem Ausbau in den Orten Gebäude abreißt und bei einem solchen Aufwand nicht gleich außen herum baut. Aber wir durften nichts sagen... Bei Oberessendorf mündete die alte Straße auf den Kirchplatz, da haben wir außen herum gebaut, auch bei Hochdorf, Schweinhausen, Appendorf und Rißegg. Nur auf der Gemarkung von Bad Waldsee nicht. Niemand hat verstanden, was sich die Ingenieure dabei gedacht haben."
Situation heute
Die Orte Enzisreute und Gaisbeuren sind mit Stand 2021 im Jahresdurchschnitt täglich mit rund 21.900 Kraftfahrzeuge und einem Schwerverkehr von rund 2.000 schwere Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen nachweislich eine der am stärksten belasteten Ortsdurchfahrten in Deutschland. Das für Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen herausragende Verkehrsaufkommen und besondere der für eine Bundesstraße sehr hohe Schwerverkehr überschreiten seit Jahrzehnten die Grenze des zumutbaren.
Belastungen und Auswirkungen
Der Lärmaktionsplan Bad Waldsee belegt, Enzisreute wird komplett und Gaisbeuren zu großen Teilen verlärmt. Von Mattenhaus, Englerts, Hebershaus und Oberessendorf liegen ähnliche Zahlen aus der Umgebungslärmkartierung der LUBW vor. Die erhebliche Lärmbelastung führt zu einer Gettobildung. Wer es sich leisten kann zieht weg. Zurück bleiben vor allem Alte, Kranke, Sozialschwache und Hausbesitzer. Immobilien und Grundstücke verzeichnen einen hohen Wertverlust. Die Bewohner sind erheblichen Umweltbelastungen durch Lärm und Schadstoffe ausgesetzt. Hinzu kommt eine enorme Trennwirkung, die nicht nur die direkten Anwohner betrifft.
Wie es anders sein könnte und die tatsächliche Situation
Während anderenorts im ländlichen Raum in der Ortsmitte Pflaster um Brunnen in verkehrsberuhigten Bereichen angelegt sind, Blumen und Bäume die Ortsmitte verschönern, Kinder spielen, eine ruhige Ortsmitte, manchmal auch mit Geschäften und einer angenehmen Atmosphäre einlädt, sind in Enzisreute und Gaisbeuren bis auf das Gasthaus, die Kirche und die Bundesstraße die Ortskerne verschwunden.
In Gaisbeuren wurde die erste Baureihe entlang der Bundesstraße inklusive Rathaus und Schule fast vollständig abgebrochen. Die Ortschaftsverwaltung in Gaisbeuren wurde außerhalb des historischen Ortskerns verlegt. Die Ortsmitten sind so unattraktiv, dass sie gemieden werden. Durch die Trennwirkung zerfallen die Orte in zwei Teile. Die Ortsdurchfahrten sind ausschließlich für den Durchgangsverkehr ausgelegt, verfügen über angeschrägte Kurven und eine möglichst geradlinige Trassierung. Bis zum Jahr 2018 war sogar die Höchstgeschwindigkeit tagsüber und nachts auf 60 km/h heraufgesetzt.
In Mattenhaus, Schellenberg, Englerts und Hebershaus bestand bis in die 1990er Jahren eine Geschwindigkeitsbegrenzung, die zu Gunsten des Verkehrs aufgehoben wurde und mit Stand 2022 wieder eingeführt werden soll. Dagegen gibt es jedoch Widerstand von Vertretern der Wirtschaft. In Oberessendorf beträgt die Höchstgeschwindigkeit am Ortsrand 70 km/h.
Bereits in den 1970er Jahren bemängelte der Ortschaftsrat Gaisbeuren, dass die Osterkerne zerstört wurden. Die aktuelle Generation und kommende Generationen stehen nun vor der großen Aufgabe die Zerstörung mit enormen Schäden zu beheben. Dies ist mit der Planungsaufnahme an den Ortsumfahrungen für Gaisbeuren und Enzisreute seit dem Herbst 2022 zumindest teilweise wieder realistisch. Erst durch eine erhebliche Verkehrsreduzierung ist eine sogenannte städtebauliche Aufwertung möglich.
Weitere Informationen
Abriss von Gebäuden
Lärm
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